Mit dem interaktiven Potenzialanalyse-Web-Tool lassen sich Mengenpotenziale und Strom-, Wasser- und CO₂-Bedarfe von unterschiedlichen PtX-Produkten ausrechnen. Dabei können viele relevante Parameter variiert werden, u.a. eine Vielzahl an Ländern, das Jahr, PtX-Produkt, Angebot/Nachfrage, Strom-, Wasser- und CO₂-Quelle. Basierend auf dieser Auswahl wird das entsprechende Potenzial eines ausgewählten PtX-Produktes angezeigt. Das Tool wurde im Rahmen der BMBF geförderten Projekte Kopernikus P2X (FKZ: 03SFK2W0-2) und NAMOSYN (FKZ: 03SF0566A) entwickelt.
Das von der DECHEMA e.V. entwickelte Potenzialanalyse-Tool dient der Strukturierung und Transparenz der Debatte um „das Potenzial der PtX-Technologien“. Die zeitliche Entwicklung der für das Potenzial relevanten Faktoren ist von großer Bedeutung und explizit Gegenstand der Untersuchung. Ein weiterer relevanter Faktor bei der Erhebung und Einordnung von Potenzialen ist die Berücksichtigung der Dynamik zwischen Angebot und Nachfrage. Denn wird ein Produkt am Markt nicht oder nur zu sehr geringen Mengen nachgefragt, so ist es kaum von Belang, wieviel davon auf der Produktionsseite hergestellt werden könnte. Das Angebotspotenzial berücksichtigt die PtX-Grundressourcen (Strom, Wasser und ggf. CO₂), die an einem bestimmten Ort zur Verfügung stehen und berechnet daraus die maximal herstellbare Menge an einem bestimmten PtX-Produkt. Das Nachfragepotenzial stellt dagegen die benötigte Menge an Grundressourcen dar, die für die Deckung der Nachfrage eines PtX-Produkts notwendig wäre.
Mit dem Potenzialanalyse-Web-Tool lassen sich derzeit bereits die PtX-Angebotspotenziale von 30 europäischen Ländern ermitteln. Zudem stehen Chile, Costa Rica, Madagaskar und Kasachstan zur Auswahl, die im Rahmen des Kopernikus-Projekts P2X als Beispielländer ausgesucht wurden. An diesen wurde die entwickelte Methodik zur kriterienbasierten Strukturierung und Differenzierung von PtX-Potenzialebenen validiert. Die Ergebnisse der Bottom-Up-Analyse zum Potenzial von grünem Wasserstoff und den PtX-Derivaten ist in der Roadmap 4.0 des Projekts veröffentlicht - [1]. Im Web-Tool ist hingegen der Top-Down Ansatz über die technischen Strompotenziale implementiert.
JahreUm eine Vergleichbarkeit zwischen und mit den ökonomischen und ökologischen Analysen in den Projekten, in denen das Tool entwickelt wurde, zu ermöglichen, wurden gemeinsame Stützjahre definiert. Daher lassen sich mit dem Tool die Potenziale in den Jahren 2020, 2030, 2040 und 2050 bestimmen. Vor dem Hintergrund, dass in den Ländern unterschiedliche Zieljahre für die Treibhausgasneutralität definiert wurden (bspw. 2045 in Deutschland), ist eine Vergleichbarkeit auch durch die einheitlichen Stützjahre möglich.
ProdukteMit dem Tool lässt sich das Potenzial von vielen unterschiedlichen PtX-Produkten bestimmen. Neben (grünem) Wasserstoff als einfachsten Fall ist auch die Basischemikalie Methanol implementiert. Ebenfalls können ausgewählte synthetische Kraftstoffe und Produkte ermittelt werden, welche derzeit aus fossilen Rohstoffen stammen. So sind Fischer-Tropsch Produkte (Benzin, Diesel, Kerosin, Naphtha), Oxygenat-Kraftstoffe (Oxymethlenether OME3-5, Methylformiat, Dimethylcarbonat) und als weiteres Sonderprodukt die PME-Polyole möglich. Die genannten Produkte stehen in den Projekten Kopernikus P2X und NAMOSYN im Fokus und basieren auf den darin erarbeiteten technologischen Entwicklungen, aus welchem Grund diese ins Tool eingebettet wurden. Eine explizite Bevorzugung bzw. Vorwegnahme gegenüber anderen Syntheseverfahren (bspw. Methanol-to-Gasoline vs. Fischer-Tropsch) ist damit nicht impliziert.
StromDie Stromerzeugungspotenziale sind mit Hilfe von pyGreta [2] auf Basis der Wetterdaten ermittelt worden (vom Kopernikus P2X-Projektpartner TU München ENS). Speziell für Deutschland sind die Daten im Detail in der Roadmap 4.0 veröffentlicht (s. Basisszenario), welche das Resultat einer Energiesystemmodellierung aus dem Nachfrage- (SPIKE, OTH Regensbrug) und dem Kraftwerksausbaumodell (urbs, TUM-ENS) ist.
Für die anderen Länder wurden die ermittelten technischen Potenziale (Wind onshore, Wind offshore, Solar) als Potenziale für 2050 definiert. Für 2020 wurden die aktuellen Stromerzeugungsmengen basierend auf [3] verwendet. Für die Stützjahre 2030 und 2040 wurde ein linearer Anstieg von 2020 bis 2050 angenommen. Die Strompotenziale der anderen EE-Technologien (Geothermie, offshore Windkraft, Wasserkraft und Biomasse) der EU-Länder wurden aus einer Szenarienmodellierung der Europäischen Kommission entnommen [3].
Daten für nicht-erneuerbare Energiequellen sind im Tool nicht hinterlegt, da es sich bei diesem Tool um die Potenzialbestimmung von PtX-Produkten handelt. Per Definition der deutschen Nationalen Wasserstoffstrategie werden als Power-to-X nur solche Produkte bezeichnet, die ausschließlich mit grünem, erneuerbarem Strom hergestellt werden [4], weshalb im Tool keine zeitliche Entwicklung der nicht-erneuerbaren Potenziale hinterlegt ist.
WasserFür die Herstellung aller PtX-Produkte wird Wasser benötigt, da die Wasserelektrolyse vorne in der Wertschöpfungskette steht. Das Prozesswasser muss gewisse Mindeststandards hinsichtlich der Reinheit erfüllen, wobei im Tool angenommen wurde, dass Süßwasser diese Anforderungen weitestgehend erfüllen kann, wobei kein zusätzlicher Aufbereitungsprozess im Tool berücksichtigt wurde.
Da das Vorhandensein von Süßwasser eine Grundvoraussetzung für die PtX-Produktion ist, spielt die Betrachtung der Wasserverfügbarkeiten vor Ort eine große Rolle (Stichwort: Wasserstress). Im Tool sind zunächst nur die erneuerbaren Süßwassermengen für Deutschland hinterlegt, für die eindeutige Informationen vorhanden sind [5]. Es wurde keine zeitliche Veränderung der erneuerbaren Ressourcen angenommen. Bei Vorliegen von ergänzenden Informationen für die anderen Länder kann sich an die Betreiber*innen des Tools gewendet werden.
Sind keine erneuerbaren Süßwasserressourcen bzw. keine Daten vorhanden, bietet das Tool die Möglichkeit alternativ entsalztes Meerwasser für die PtX-Prozesse zu verwenden. Die Meerwasserentsalzung kann ebenfalls mit Strom (und Wärme) erfolgen. Hier wird vorausgesetzt, dass das Land einen Meereszugang hat. Der für die Entsalzung notwendige Strom wird aus dem Gesamtpotenzial des Landes bereitgestellt, wobei das Tool eine optimale Verteilung des Stroms berücksichtigt (s. u.).
CO₂Als CO₂-Quellen werden sowohl Direct Air Capture (DAC) als auch biogene und industrielle Punktquellen betrachtet. Im Tool lässt sich jeweils nur eine der möglichen Quellen auswählen und keine Kombination von mehreren CO₂-Quellen. Es sind somit die Potenziale für entweder 100 % DAC, 100 % biogene Punktquellen oder 100 % industrielle Punktquellen berechenbar. Dies erfolgt einerseits, um die Vor- und Nachteile der jeweiligen Quelle separat identifizieren zu können und andererseits, weil die Einigung auf ein bestimmtes Mengenverhältnis von politischen, sozialen und technischen Aspekten abhängig ist. Industriequellen werden in fünf Sektoren aufgeteilt, die eine CO₂-Abscheidung ermöglichen: Chemieindustrie, Energiesektor, Herstellung und Verarbeitung von Metallen, Herstellung von Papier, sowie die Mineralindustrie. Diese Aufteilung und die entsprechenden Werte der derzeitigen CO₂-Emissionen wurden dem europäischen Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister (E-PRTR; Stand 2017) [6] der Europäischen Umweltagentur (EEA) entnommen und als Wert für 2020 gesetzt. Für nicht europäische Länder liegen noch keine Information über industrielle Punktquellen vor.
Für den zeitlichen Verlauf der CO₂-Emissionen in Deutschland bis 2050 wurden verschiedene Annahmen pro Sektor getroffen. Die verfügbare Menge an CO₂ aus Industriequellen wird durch den elektrischen Energiebedarf weiter beschränkt, der für die Abtrennung und Aufreinigung des CO₂ benötigt wird (siehe Technische Parameter). Biogene Quellen werden für die Potenzialanalyse als die CO₂-Menge, die durch die Herstellung von Bioethanol und Biogas als Nebenprodukt entsteht, definiert. Diese werden in Deutschland für alle Stützjahre aus [7] übernommen.
Für die anderen Länder ist eine zeitliche Entwicklung der industriellen Punktquellen für 2030, 2040 und 2050 noch nicht implementiert, weshalb in diesen Ländern nur die PtX-Potenziale mit DAC bestimmt werden können. Bei Vorliegen von ergänzenden Informationen für die anderen Länder kann sich an die Betreiber*innen des Tools gewendet werden.
Durch Direct Air Capture (DAC) ist es möglich, CO₂ direkt aus der Luft abzutrennen. Dabei wird das CO₂ als Hauptprodukt bei 1 bar mit einer hohen Reinheit und Wasser als Nebenprodukt gewonnen.
SonstigesTrotz einiger Daten-Lücken, die im Laufe der Zeit noch gefüllt werden sollen, ist mit diesem Top-Down Ansatz eine prinzipielle Ermittlung des technischen Potenzials in allen im Tool hinterlegten Ländern möglich und hilft zumindest die Größenordnung der Möglichkeiten hinsichtlich des Angebotspotenzials abzuschätzen.
Im Laufe der Zeit sollen weitere PtX-Produkte ergänzt werden, sofern für diese die Energie- und Massenbedarfe bekannt bzw. öffentlich zugänglich sind (s. Technische Parameter).
Das Tool berechnet zunächst das gesamte Strompotenzial entlang der getroffenen Auswahl an Stromerzeugungsquellen. Anschließend wird dieses Strompotenzial entlang folgender Reihenfolge aufgeteilt:
Falls aktiviert, wird zunächst der nationale Originärstrom-Eigenbedarf abgezogen. Damit ist ausschließlich der Direkteinsatz von Strom gemeint. Für Europa sind Daten aus dem World Energy Outlook 2019 [8] der internationalen Energieagentur (IEA) als Datengrundlage genommen und auf Basis der Verbrauchsdaten des Statistischen Amts der Europäischen Union (eurostat) (online data code: NRG_CB_E) aufgeteilt.
Das verbleibende Strompotenzial wird als PtX-Strompotenzial bezeichnet. Falls der Strom neben dem ausgewählten Produkt noch in weitere (PtX-)Produkte fließen soll (Schieberegler „Nutzbarer Anteil“ steht nicht bei 100 %), fließt der entsprechende prozentuale Anteil in „Sonstiges“. Mit dem Tool ist somit eine gleichzeitige Potenzialbestimmung mehrerer PtX-Produkte nicht möglich.
Anschließend erfolgt eine Aufteilung auf insgesamt vier Prozessschritte: i) Entsalzung (falls „Salzwasser“ als Wasserquelle ausgewählt wurde), ii) Elektrolyse, iii) CO₂ (abhängig von Wahl der CO₂-Quelle und des ausgewählten Produkts) und iv) Herstellung vom ausgewählten Produkt aus H2 und evtl. CO₂.
Die Stromverteilung wird dabei auf eine Produktmaximierung optimiert, wobei das Tool u. a. die absoluten Mengen der Ressourcen (konkret: Süßwasservorrat, industrielle und biogene Punktquellen) berücksichtigt. Diese sind von den Energie- und Massenbedarfen (s. Technische Parameter) abhängig. Die absolute Verfügbarkeit der Ressourcen wird bei Ermittlung des Angebotspotenzials unter Auswahl dieser Grundressourcen nicht überschritten werden.
Die Mengenpotenziale der Zwischenprodukte (u.a. Wasser, Wasserstoff, CO₂), die mit den jeweiligen Stromanteilen berechnet wird, ist der Übersicht halber ebenfalls angegeben.
Bei der Ermittlung des Nachfragepotenzials muss für das ausgewählte Produkt, Jahr und Land ein Produktbedarf (in Mio. t) hinterlegt sein. Über die Energie- und Massenbedarfe werden dann die Strombedarfe für die jeweiligen Prozesse entlang der getroffenen Auswahl (also Süß-/Salzwasser, CO₂-Quelle) bestimmt und summiert. Ebenfalls sind die Mengen an Wasser und ggf. CO₂ angegeben. Der nationale Originärstrom-Eigenbedarf sowie eine Stromaufteilung auf andere PtX-Produkte werden nicht berücksichtigt. Ebenfalls ist eine Auswahl der Stromerzeugungstechnologien beim Nachfrage-Potenzial nicht möglich.
[1] Roadmaps des Kopernikus Projekts P2X: Link
[2] Kais Siala, & Houssame Houmy. (2020, June 1). tum-ens/pyGRETA: python Generator of REnewable Time series and mAps (Version v1.1.0). Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.3727416; Link zum Github-Repository
[3] European Commission, Directorate-General for Climate Action, Directorate-General for Energy, Directorate-General for Mobility and Transport, Zampara, M., Obersteiner, M., Evangelopoulou, S., et al., EU reference scenario 2016 : energy, transport and GHG emissions : trends to 2050, Publications Office, 2016, https://data.europa.eu/doi/10.2833/001137Directorate-General for Climate Action (European Commission) u.a., EU reference scenario 2016: energy, transport and GHG emissions: trends to 2050. LU: Publications Office of the European Union, 2016. Zugegriffen: 5. September 2022. [Online]. Verfügbar unter: https://data.europa.eu/doi/10.2833/001137 Link
[4] Die Nationale Wasserstoffstrategie; Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi): Berlin, 2020.; Link
[5] Wasserressourcen und ihre Nutzung - Wasserbilanz für Deutschland; Bundesanstalt für Gewässerkunde; Dessau-Roßlau, 20.04.2020 Link
[6] European Pollulant Release and Transfer Register Link
[7] Fröhlich, T.; Blömer, S.; Münter, D.; Brischke, L.-A. CO₂-Quellen Für Die PtX-Herstellung in Deutschland - Technologien, Umweltwirkung, Verfügbarkeit; ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH: Heidelberg, 2019. Link
[9] International Energy Agency, World energy outlook 2019. 2019. Link